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Hashimoto-Thyreoiditis – ein Erkrankung der Schilddrüse?

PD Dr. med. Sigrun Merger, Chefärztin der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Klinikum Coburg

Die Erkrankung gehört zum Formenkreis der Autoimmunerkrankungen, der Körper bildet hierbei Antikörper gegen das eigene Schilddrüsengewebe, das im Verlauf durch die Körperabwehrzellen zerstört wird. In Frankreich sind etwa 10 % der Bevölkerung betroffen, Frauen deutlich häufiger, genauere Daten für Deutschland liegen uns nicht vor.
Für einen großen Teil der Betroffenen wird die Hashimoto-Thyreoiditis erst sichtbar, wenn sich die Zeichen einer Schilddrüsenunterfunktion (Gewichtszunahme, niedrige Körpertemperatur, erhöhte Kälteempfindlichkeit, Antriebslosigkeit, Haarausfall, Obstipation) zeigen, die sich durch Gabe von Schilddrüsenhormon relativ schnell wieder normalisieren und damit das Leben der Patienten nur wenig beeinträchtigen, wenn sie ihre Medikamente regelmäßig einnehmen.

Leider gibt es jedoch einige Erkrankte mit einem weit dramatischeren Verlauf, der daraus resultiert, dass Schilddrüsenhormone an zentralen Rezeptoren jeder Körperzelle angreifen und damit sehr verschiedene Symptome verursachen können. Auch greifen die auslösenden Antikörper nicht nur an der Schilddrüse, sondern im gesamten Organismus an und präsentieren sehr wechselnde klinische Bilder. In der Frühphase und abhängig von der autoimmunen, oft wellenförmig verlaufenden Aktivität der Abwehrreaktion, kommt es oft zu deutlichen Zeichen einer Schilddrüsenüberfunktion, die durch Zerstörung der Schilddrüsenzellen und unkontrollierte Freisetzung des darin gespeicherten Schilddrüsenhormons ausgelöst wird.

Diese Phase wird als Hashitoxikose bezeichnet und äußert sich durch Nervosität, Herzrasen bzw. Herzrhythmusstörungen, Schlafstörungen, Heißhunger trotz Gewichtsverlust und verstärktes Schwitzen. Hier ist oft die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt und besonders junge Sportler bemerken die Schilddrüsenüberaktivität sehr klar, während sich bei älteren Patienten die Symptome oft weniger deutlich zeigen.


Die Behandlung dieser akuten Form sollte durch einen schilddrüsenspezialisierten Arzt, also in erster Linie durch einen Endokrinologen erfolgen. Antikörper TPO und TAK, die die Hashimoto-Thyreoiditis auslösen, können jedoch auch an anderen Organen angreifen und schwere systemische Erkrankungen verursachen. Hier ist in erster Linie die Hashimoto-Enzephalopathie zu nennen, in der Literatur oft SREAT genannt (steroidersponsive Enzephalopathie bei Autoimmunthyreoiditis). Diese findet sich besonders bei Patienten mit sehr hoher Antiköperlast und zeigt sich durch epileptische Anfälle, Psychosen, schwere Depressionen, heftige Kopfschmerzen, Schlaganfälle, Sprachstörungen, Gangunsicherheiten und andere Beeinträchtigungen des Zentralnervensystems. Hier ist in der Frühphase der Erkrankung ein gutes Ansprechen auf hochdosierte Corticosteroide zu beobachten, die zu einer schnellen Besserung bzw. Heilung führen. Jedoch führt ein verzögerter Therapiebeginn meist zu Fibrosierungen, also Vernarbungen der betroffenen Regionen, was dann oft zu dauerhaften Beeinträchtigungen führt. In der Literatur wird hierzu gern auf den Philosophen Sokrates verwiesen, von dem behauptet wird, dass er auch an einer Autoimmunthyreopathie mit Nervenbeteiligung litt und viele Jahre seines Lebens durch eine Epilepsie stark beeinträchtigt war. Hier trifft man Überschneidungen zu anderen Autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen wie dem Morbus Basedow. Ein weiteres Organ, das durch Schilddrüsenantiköper geschädigt werden kann, sind die Augen bzw. die Muskeln und das Fettgewebe in der Augenhöhle. Hier spricht man von einer Endokrinen Orbitopathie, die meist ebenfalls im Zusammenhang mit dem Morbus Basedow zu finden ist, jedoch auch bei Hashimoto-Thyreoitiden auftreten kann mit dem Bild der Augenrötung, des Fremdkörpergefühls, des Vortretens der Augen, der Hornhautverletzungen und auch der Sehnervschädigung. Auch in diesen Fällen ist eine frühzeitige Therapie von essentieller Bedeutung für den Verlauf der Erkrankung, die zu dauerhafter Berufsunfähigkeit führen kann. Eine Vermehrung des Bindegewebes mit Vernarbungen ist jedoch nicht auf die Augenhöhle beschränkt, sondern kann auch zwischen hinterem Bauchfell und Wirbelsäule vorkommen und zur Ummauerung der dort liegenden Gefäße, Nerven und Harnleiter führen. Diese Erkrankung nennt man Retroperitoneale Fibrose, ist jedoch glücklicherweise sehr selten, aber problematisch für die Betroffenen. Häufiger sind Muskel-, Gelenk- und Hautveränderungen. Auch hier sind jedoch die Übergänge oft unspezifisch und fließend, da Patienten durch die angeborene Neigung zu Autoimmunität oft an mehr als einer autoimmun getriggerten Erkrankung leiden, typische Assoziationen sieht man bei den sogenannten polyglandulären Autoimmunsyndromen, z.B. der Kombination von Autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes mellitus Typ 1, autoimmunen Nebenschilddrüsen- und Nebennierenerkrankungungen sowie Haut-und Darmveränderungen. Auch hier ist eine frühzeitige und zielgerichtete Therapie durch einen Spezialisten notwendig, um den Betroffenen ein „normales Leben“ zu ermöglichen und lebensbedrohliche Krisen zu verhindern.

Als Hakaru Hashimoto 1848 in Göttingen die nach ihm benannte Entzündung der Schilddrüse beschrieb, galt die Autoimmunthyreopathie als Erkrankung der Schilddrüse. Heute wissen wir, dass „der Hashimoto“ mehr sein kann als der notwendige Ersatz von Schilddrüsenhormon, die die Schilddrüse des Patienten nicht mehr produzieren kann, sondern auch sehr unterschiedliche, zum Teil hochkomplexe Erkrankungen des gesamten Organismus zeigt.

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