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Hashimoto-Thyreoiditis

Dr. Mathias Beyer, Praxis für Endokrinologie Nürnberg

Geschichtliches

Seit William Miller Ord 1878 Verkleinerungen der menschlichen Schilddrüse beschrieb, rückte dieses Phänomen ins Bewusstsein der Wissenschaft.1912 fand der japanische Pathologe Hakaru Hashimoto heraus, dass es sich dabei um eine Einlagerung von Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) handelte. Ca. 1960 erkannte Deborah Doniach in London einen Autoimmunprozess der Schilddrüse.

Mechanismus

Es handelt sich bei der Hashimoto-Thyreoiditis oder Autoimmunthyreopathie (AIT) um eine chronische Entzündung der Schilddrüse. Sie wird durch weiße Blutkörperchen („T-Lymphozyten“) vermittelt und geht mit einer Bildung von Schilddrüsen-Antikörpern einher, angeregt durch Zellbestandteile der Schilddrüse. Diese Antikörper können Rezeptoren besetzen, die eigentlich für das Steuerhormon der Hirnanhangsdrüse (TSH) bestimmt sind und dort dessen Wirkung teilweise oder komplett blockieren (Abb. 1). Dann entwickelt sich eine verminderte Eigenproduktion von Schilddrüsenhormonen, die oft im weiteren Verlauf durch die entzündungsbedingte Verkleinerung des Organs verstärkt wird.

Ursachen …

Über die Ursachen der AIT wird seit vielen Jahren intensiv geforscht, eine schlüssige Erklärung steht allerdings noch aus. Diskutiert werden genetische Faktoren, Stress, Nikotingenuss, Jod im Übermaß, bestimmte Allergene in „Nahrungsergänzungsmitteln“, Viren und vieles mehr. Die Bandbreite dieser Theorien untermauert eigentlich die Tatsache, dass wir es immer noch nicht so richtig wissen. Das normale Jod in unserer Ernährung macht nichts aus, wohingegen Jod in großen Mengen (manche Medikamente, als Nahrungsergänzungsmittel verkaufte Algenpräparate aus Übersee) die immunologischen Vorgänge anstoßen oder verstärken können. Ungeklärt ist auch die Frage, warum der Ausprägungsgrad der Erkrankung von Mensch zu Mensch so unterschiedlich ist.

und Häufigkeiten

Man geht trotz einer hier sicherlich bestehenden Grauzone davon aus, dass etwa 10 % der Bevölkerung (ab dem 50. Lebensjahr 20 %, Frauen häufiger als Männer) Träger von Schilddrüsen-Autoantiköpern sind. Bei Frauen jenseits des 60. Lebensjahres sind es bis zu 35%. Wie viele davon pro Jahr eine Unterfunktion entwickeln, ist umstritten. Bei Kindern trifft man ebenfalls bisweilen solche Immunphänomene an, die allerdings mit einer recht großen Chance im Lauf des Wachstums und der körperlichen Entwicklung wieder verschwinden.

Auswirkungen, Beschwerden und Symptome

Gesicherte Auswirkungen einer AIT sind durch sich ergebende Funktionsstörungen der Schilddrüse zu erwarten: Nach einer oft nur kurzen Phase einer Überfunktion mit vermehrtem Schwitzen, Nervosität oder Herzrasen kann sich eine Unterfunktion mit Müdigkeit, Schwäche und Antriebsarmut einstellen. Schon die Beschreibung dieser Symptome zeigt, dass es sich hier um Beschwerden handelt, die recht unspezifisch zu vielen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen passen. Daraus ergibt sich, dass eine dezidierte Diagnostik beim Arzt erforderlich ist.

Diagnosestellung

Nach der Erhebung der Vorgeschichte steht der Ultraschall im Vordergrund der Untersuchungsmethoden (Abb. 2). Es lässt sich außer der Größenbestimmung des Organs klären, ob die Struktur der Schilddrüse „dunkler“ durch Einlagerung von Lymphozyten geworden ist, ob zusätzliche Knoten vorhanden sind oder wie die Durchblutung der Schilddrüse entwickelt ist.

Eine Szintigraphie hilft zur Diagnosestellung der AIT nicht weiter, sondern ist anderen Fragestellungen vorbehalten.

Laborchemisch misst man sowohl die Schilddrüsenhormone (FT4 und FT3) mit dem von der Hirnanhangsdrüse stammenden TSH als auch die Antikörper (z. B. anti-TPO, von deren häufig massiver Erhöhung man sich allerdings nicht beeindrucken lassen sollte).

Man spricht bei alleinigem Anstieg des TSH mit normalem T3 und T4 von einer nur „latenten“ Unterfunktion, über deren Krankheitswert seit vielen Jahren kontroverse Debatten geführt werden.

Therapie

Die Behandlung einer lediglich latenten Unterfunktion (Hypothyreose) mit erhöhtem TSH und normalen Schilddrüsenhormonen hängt unter anderem davon ab, ob patientenseits Beschwerden oder Symptome einer Funktionsstörung bestehen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist durchaus ein Abwarten über einige wenige Monate bis zu einer Laborkontrolle zu erwägen. Richtige („manifeste“) Unterfunktionen sind auszugleichen durch die Gabe vorwiegend des T4 (L-Thyroxin). Momentan erfährt auch die niedrig dosierte Gabe des zweiten Schilddrüsenhormons (T3 oder Trijodthyronin) eine Renaissance, die allerdings nur erfahrenen Behandlern unter sorgfältigen Kontrollen vorbehalten sein sollte.

Die Gabe von Selen hat vor einigen Jahren Hoffnungen geweckt, die allerdings bei näherer Betrachtung nicht zu halten scheinen.

Probleme

Wir erleben in der endokrinologischen Praxis, dass es oft sehr schwierig ist, schilddrüsenbedingte Probleme von denen anderer Organsysteme zu trennen. Da ist die Endokrinologie gefordert, um zum Beispiel Autoimmunvorgänge an anderen Organen (Nebennieren, Haut, Gelenken, s. Tab. 1) oder lebensstilbedingte Veränderungen zu erfassen.

Ein großes Problem stellen angstbedingte oder depressive Beschwerden dar, die tatsächlich nur bei eindeutigen Schilddrüsenfunktionsstörungen diesem Organ zugeordnet werden dürfen. Auch wenn sich hier manchmal in Form des Autoimmunvorgangs ein rettender Strohhalm anzubieten scheint, ist es wichtig und letztendlich auch zielführend, eine sorgfältige Diagnostik durchzuführen.

Insbesondere angstbesetzte Beschreibungen wie „Die Schilddrüse frisst sich auf“ oder „Sie haben Löcher in der Schilddrüse“ sind hier fehl am Platze. Auch die Umstellung der Ernährung auf „jodfreie“ Kost führt in unserer nicht jodübersättigten Küche nur zu zusätzlichen Problemen, oft zur Ausgrenzung und einem erhöhten Krankheitsgefühl.

Fazit

Die Hashimotothyreoiditis ist eine häufige Erkrankung, die nach wie vor gut behandelbar ist. Wichtig sind eine sorgfältige Diagnostik, ein „Ohr“ für die Beschwerden der Patienten und oft der Blick über den Tellerrand der Schilddrüse hinaus.

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